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Matti Bunzl wird neuer Direktor des Wien Museums
Ab 1. Oktober 2015 wird Bunzl das Museum am Karlsplatz leiten.
Presseaussendung des Wien Museums:
Das Wien Museum geht in eine bewegte Zukunft. Nach der politischen Entscheidung für die bauliche Erneuerung und Erweiterung des Standorts am Karlsplatz wurden nun auch die Weichen für den Wechsel des künstlerisch-wissenschaftlichen Direktors des städtischen Museums gestellt: Ab 1. Oktober 2015 wird der Historiker und Kulturmanager Matti Bunzl die Leitung des Wien Museums übernehmen und auch die Umsetzung des Neubaus am Karlsplatz begleiten. Dies gab Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny heute, Mittwoch, bei einer Pressekonferenz im Wien Museum bekannt.
Bunzl ist derzeit Professor für soziale Anthropologie an der Universität von Illinois und künstlerischer Leiter des „Chicago Humanities Festivals“. Der gebürtige Wiener ist ein Wissenschaftler und Wissensvermittler von internationaler Reputation, verfügt über langjährige Erfahrung im Kultur- und Wissenschaftsmanagement und gilt als ausgewiesener Experte der Wiener Stadtgeschichte und Stadtkultur sowie dem internationalen Museumswesen. „Matti Bunzl ist ein junger und gleichzeitig erfahrener Impulsgeber für den Kultur- und Wissenschaftsstandort Wien. Er ist der ideale Kandidat, um das Wien Museum gemeinsam mit Christian Kircher als hervorragendem Finanzdirektor durch die herausfordernden Zeiten der Veränderung zu führen“, ist Mailath überzeugt.
Mailath: „Renommierter Wissenschaftler und Kulturmanager mit Wiener Wurzeln“
Der Kulturstadtrat bezeichnete es als „Glücksfall“, dass Matti Bunzl für Wien gewonnen werden konnte, „weil er nicht nur diese seine Stadt, ihre Geschichte und ihre Gegenwart kennt und hier verankert ist, sondern ebenso über weltweite Kontakte in den Bereichen Kunst und Kultur, Wissenschaft und Politik verfügt. Bunzl beweist, dass akademische Seriosität und intellektueller Esprit kein Widerspruch sein müssen. Er ist ein Experte des Wiener Fin de Siècle, hält Vorlesungen zum Judentum und den Queers in der Moderne, schreibt über Antisemitismus und Islamophobie, arbeitete zu theoretischen Fragen der Kunstvermittlung und der Museologie der Avantgarde. Bunzl ist aber ein ebenso guter Praktiker, der seine organisatorischen, repräsentativen und kulturellen Leistungen als künstlerischer Leiter des größten amerikanischen Festivals im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften seit Jahren unter Beweis stellt. Dort zeigt er erfolgreich vor, wie man die Zivilgesellschaft in Kultur- und Wissenschaftsveranstaltungen einbinden kann. Und so versteht er auch das neue Wien Museum, nämlich als Ort der Begegnung und aktiven Involvierung der Wienerinnen und Wiener. Matti Bunzl bringt nicht nur die Visionen und die Kompetenz, sondern auch die nötige Tatkraft und den Enthusiasmus mit, um die von Wolfgang Kos geschriebene Erfolgsstory ‚Wien Museum‘ weiterzuführen und die Realisierung des ersten Kulturbaus des 21. Jahrhunderts in Wien maßgeblich mitzugestalten“, so Mailath.
Matti Bunzl: „Das Wien Museum als Labor der Zivilgesellschaft“
„Es ist mir eine Ehre und Freude, die Verantwortung für das Wien Museum übernehmen zu dürfen“, sagte Matti Bunzl. „Es ist fürwahr ein ‚return to the roots.‘ Es war im Wien Museum, wo ich die Magie des historischen Objekts als Kind kennen und lieben lernte. An den Stadtmodellen nahm ich Geschichte zum ersten Mal als unmittelbare Erfahrung wahr; und ‚Traum und Wirklichkeit‘ – dessen Besuch mit meinem Vater mir wie gestern erscheint – war das intellektuelle Schlüsselerlebnis meiner Jugend, dem Studium und wissenschaftliche Arbeit nahtlos folgten. Für mich ist das Wien Museum ein Schatz, den ich der Wiener Bevölkerung genauso wie den Gästen aus dem In- und Ausland – in Fortführung der großen Leistungen von Wolfgang Kos – erschließen will. Das gilt nicht nur für das erweiterte Stammhaus am Karlsplatz, wo der gesamte historische Rahmen der Stadt dargestellt werden wird, sondern auch für die Dependancen, die es der Institution ermöglichen, in der ganzen Stadt präsent zu sein. Doch das Museum ist weit mehr als die Präsentation seiner großartigen Sammlungen. Ich sehe es als Labor der Zivilgesellschaft, wo die Zukunft der Stadt im Spiegel ihrer Vergangenheit ständig verhandelt wird. Denn die zentrale Lehre der vorgeführten Geschichte ist die kollektive Fähigkeit, Wandlungen zu vollziehen – damals wie heute. In der Aktivierung der BesucherInnen liegt somit ein gesellschaftlicher Anspruch. Denn wo, wenn nicht im Wien Museum, kann die Stadt neu gedacht werden?“
Das Auswahlverfahren
Nachdem der Vertrag des bisherigen Direktors des Wien Museums, Wolfgang Kos, am 30. September 2015 endet, startete das Kuratorium des Wien Museums zeitgerecht Anfang 2014 eine internationale öffentliche Ausschreibung. Insgesamt bewarben sich fünfzig Personen (14 Frauen, 36 Männer), davon 38 KandidatInnen aus dem Inland und 12 KandidatInnen aus dem Ausland für die Position. Nach Ablauf der zweimonatigen Bewerbungsfrist führte das Kuratorium unter Beiziehung unabhängiger, nationaler und internationaler ExpertInnen aus dem Museumsbereich Hearings mit ausgewählten KandidatInnen durch. Es folgte, wie im Museumsgesetz festgeschrieben, die „Anhörung“ des Kuratoriums durch den Kulturstadtrat, der auf Basis der Empfehlungen und nach ausführlichen Gesprächen mit den KandidatInnen sowie eingehender Meinungsbildung nunmehr Professor Dr. Matti Bunzl als künftigen künstlerisch-wissenschaftlichen Direktor der Museen der Stadt Wien vorschlägt. Die offizielle Bestellung erfolgt durch die Wiener Landesregierung, und zwar auf die Dauer von fünf Jahren. Die Hauptaufgaben des designierten Direktors für die nächsten Jahre sind die Umsetzung des Neu- bzw. Erweiterungsbaus am Karlsplatz, die Einrichtung einer neuen zeitgemäßen Dauerausstellung, das Erarbeiten neuer Museumsangebote sowie die Beibehaltung der Präsenz des Museums in der Stadt während der Bauphase.
Konzeption Wien Museum Neu: „Wo Vergangenheit Zukunft wird“
Das Wien Museum steht vor einem der spannendsten Momente seiner Geschichte. Es stehen Weichenstellungen für die nächsten Jahrzehnte bevor. Für ein detailliertes Konzept des neuen Wien Museums ist es noch zu früh. Die grundsätzliche Orientierung der Direktion wird jedoch durch die folgenden drei Punkte dargestellt:
Das Museum der Gegenwart und Zukunft.
Das Wien Museum hat eine beispiellose Tradition als historisches Museum mit einzigartigen Sammlungen. Es darf diese Tradition nicht aufgeben, muss aber den eingeschlagenen Weg zu einem Museum der Gegenwart und Zukunft weiterentwickeln. Dieser Zugang ist für alle Ausstellungsformen von Bedeutung:
- Neue Dauerausstellung. Das Kernstück des erweiterten Museums muss eine Antwort auf die zentrale Frage unserer Zeit liefern: Was heißt es, eine globale Stadt zu sein? Es gilt hier Ausstellungsformen und Narrative zu finden, die die transnationale Realität der Stadt gleichermaßen als historisch bedingt und selbstverständlich darstellen können.
- Sammlungsausstellungen. Der Reichtum und die Vielfalt der Sammlungen ermöglichen es, präzise Ausstellungen zu einer ganzen Reihe relevanter Themen zu gestalten. Aktuelle Ereignisse können so jederzeit von spannenden Ausstellungen begleitet und vertieft werden.
- Wechselausstellungen. Hier ist die Frage ganz klar: “Wieso diese Ausstellung”? Die Dringlichkeit kann ästhetisch, sozial, historisch oder sonst wie begründet werden – muss aber auch Teil der generellen institutionellen Vision sein.
Das Museum als Labor der Zivilgesellschaft
Jedes Museum ist ein potentieller Knotenpunkt für gesellschaftlichen Diskurs. Das gilt für das Wien Museum in ganz besonderem Maße. Die Institution selbst ist ein Ort der Begegnung, der durch ständige intellektuelle und kulturelle Anreize zu aktivieren ist. Die kuratorische Aufgabe des Wien Museums endet also nicht in den Schauräumen. Vorträge, Podiumsdiskussionen und Salons sind ebenso Teil des Programms und dabei keineswegs sekundär. Denn nur durch die Involvierung in einen ständigen, anspruchsvollen Diskurs kann sich die Zivilgesellschaft selbst erleben. Der Besuch des Museums wirkt somit bildend, nicht nur im herkömmlichen Sinn, sondern als Potenzial für gesellschaftliche Transformation. Wo, wenn nicht im Wien Museum, kann die Stadt von der Bevölkerung neu gedacht werden?
Das Museum im transnationalen Raum
Muss das Wien Museum auf Wien beschränkt sein? Nein, ganz im Gegenteil. Ein globaler, vergleichender Rahmen ist gefragt. Das Kalkül ist einfach: Wie können wir darstellen, was an Wien besonders ist, wenn wir die Stadt nicht im Kreis anderer Weltstädte verstehen und zeigen? Vor allem zu einem Zeitpunkt der transnationalen Urbanisierung ist dieser Zugang von Nöten, eröffnet er doch die Möglichkeit, das Wien Museum als Institution zum Thema Stadt an sich zu positionieren.
Biographie Matti Bunzl
Matti Bunzl wurde 1971 in Wien geboren. Nach der Matura ging er in die Vereinigten Staaten und erhielt 1993 sein B.A. und M.A. in Anthropologie an der Stanford University. Im gleichen Jahr wechselte er an die University of Chicago, wo er 1998 zum Doktor der Anthropologie promoviert wurde. Seitdem ist er Mitglied der Fakultät der University of Illinois at Urbana-Champaign. Er begann dort als Assistant Professor, wurde 2003 zum Associate Professor befördert und pragmatisiert und ist seit 2008 Full Professor. Von 2003 bis 2007 leitete Bunzl das Illinois Program for Research in the Humanities, das interdisziplinäre geisteswissenschaftliche Institut der University of Illinois, das er auch als Kunsthalle bespielte. Nach einem Sabbatical übernahm er 2008 die Leitung des universitären Program in Jewish Culture and Society. Seit 2010 ist Bunzl auch Intendant des Chicago Humanities Festival. Es ist die größte Veranstaltung seiner Art in den USA und feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Es findet im Oktober und November jedes Jahres statt und umfasst ca. 100 Veranstaltungen, immer zu einem vom Intendanten bestimmten Thema. Das Festival des Jahres 2014 steht unter dem Motto „Journeys“. Bunzl ist Autor zahlreicher Artikel sowie dreier Bücher, Symptoms of Modernity: Jews and Queers in Late-Twentieth Century Vienna (2004), Anti-Semitism and Islamophobia: Hatreds Old and New in Europe (2007), und In Search of a Lost Avant- Garde: An Anthropologist Investigates the Contemporary Art Museum (2014).Zusätzlich fungierte er als (Mit-)Herausgeber der Bücher Altering States: Ethnographies of Transition in Eastern Europe and the Former Soviet Union (2000), Worldly Provincialism: German Anthropology in the Age of Empire (2003), Postcolonial Studies and Beyond (2005) und Daphne Berdahl, On the Social Life of Postsocialism: Memory, Consumption, Germany (2010). Bunzl ist außerdem Mitherausgeber zweier Buchreihen, New Anthropologies of Europe (Indiana University Press) und Jewish Cultures of the World (Rutgers University Press). Er ist weiters Mitherausgeber von Perspectives, der wissenschaftlichen Zeitschrift der Association for Jewish Studies.
News-Links:
http://diepresse.com/home/kultur/kunst/3867895/Wien-Museum_Matti-Bunzl-w...
http://derstandard.at/2000005387174/Matti-Bunzl-wird-neuer-Direktor-desv...
http://kurier.at/kultur/kunst/wien-museum-matti-bunzl-wird-neuer-direkto...
http://wien.orf.at/news/stories/2667685/