Eva Clausen, Der Standard
Italien lässt die Leitung von 20 der bedeutendsten Museen neu ausschreiben - erstmals auch international. Der Hintergrund: Die Häuser sollen hinkünftig stärker ökonomischen Anforderungen gehorchen
Italien sucht für 20 seiner wichtigsten staatlichen Museen neue Direktoren. Die Leitung der bedeutenden Häuser, unter anderem der Uffizien in Florenz und der römischen Galleria Borghese, ist erstmals nicht mehr hohen Staatsbeamten des Kulturministeriums vorbehalten. Auch ausländische Kunstexperten sind eingeladen, sich zu bewerben. Eine Revolution, wie Kulturminister Dario Franceschini betont. Doch die Umwälzungen bergen auch Tücken. Bislang unterstand die Leitung der Häuser hohen Ministeriumsbeamten, den "soprintendenti". Zu deren Hauptaufgaben gehörte die Erhaltung des staatlichen Guts. Doch ihnen wurde vorgeworfen, die kommerzielle Verwertung zu sehr vernachlässigt zu haben. Deshalb soll nun das Management parallel zur Denkmalpflege laufen. Die Weichen für die Umstrukturierung stellte Franceschini bereits Mitte 2014 mit einer umfassenden Reform der "soprintendenze" und Museen. 20 zentralen Häusern wurde mehr Autonomie zugesprochen - durch die Ausgliederung aus den jeweiligen übergeordneten regionalen Museumsverbänden, den "poli museali". Ziel war es, die Museen aus den Schlingen der Bürokratie zu befreien. Nun sollen die 20 Auserkorenen zeigen, dass Kultur auch ein Wirtschaftsfaktor ist.
Die Voraussetzungen fehlen nicht. Ausgesucht wurden rentable Häuser, die ansehnliche Gewinne einfahren und sich einen Spitzenmanager leisten können. Die Bewerbungsfrist endet am 15. Februar. Die Maßnahme fand allgemein Anklang, wenngleich es an skeptischen Stimmen nicht fehlt. Kulturschaffende stoßen sich weniger an der Tatsache, dass Italien sein höchstes Gut in fremde Hände legen will, als an der Gewichtung der Aufgaben. Es wird befürchtet, dass Kulturpflege und -erhaltung, bisher Aufgabe der "soprintendenti", ins Hintertreffen gerät. Der kritische Punkt ist die Sonderstellung, die den Museen eingeräumt wird. Sie unterstehen zwar nach wie vor den staatlichen Richtlinien der Kulturpflege, aber es stellt sich die Frage, wie die Einhaltung garantiert werden soll. Außerdem besteht die Gefahr des Konflikts zwischen kommerzieller Nutzung und kulturellem Schutz.
Manch einer wittert gar hinter der Reform eine getarnte Form der "Entstaatlichung", und in der Ausgliederung der Häuser einen ersten Schritt in Richtung Privatisierung. Der Appetit der Privaten könnte dabei durch die Zahlen angeregt werden, die der Kulturminister gemeinsam mit der Ausschreibung vorlegte: Die Einnahmen der 420 staatlichen Museen und archäologischen Stätten kletterten 2014 um acht Millionen Euro auf insgesamt 134. Zur internationalen Bewerbung freigegeben sind allerdings nicht die Spitzenreiter: das Kolosseum und Pompeji, mit sechs Millionen und 2,5 Millionen Besuchern. Beide genießen einen Sonderstatus. (Eva Clausen, DER STANDARD, 21.1.2015)