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Wir trauern um Khaled Asaad

19.08.2015

The International Council of Museums (ICOM) vehemently condemns the appalling murder of Khaled Asaad, 82, in Palmyra, Syria, by Islamic State militants.

A renowned archaeologist and scholar, Mr Asaad was head of antiquities at the ancient ruins of Palmyra, a UNESCO World Heritage Site, for more than a half-century. He was a longtime member of ICOM. The international museum and heritage community extend their deepest condolences to the family of Mr Asaad, to the residents of Palmyra and the people of Syria in the face of this most recent act of extremist brutality that has led to the loss of countless lives, the annihilation of collective history and identity in the context of ongoing violence and unrest.

ICOM expresses its outrage at the wanton disregard for humanity displayed by the murder of Mr Asaad, who devoted his life to working for the preservation of the historical site of Palmyra, so important to the culture and history of humankind. The international community strongly condemns this senseless act of violence, the systemic destruction of lives, of culture and of heritage in Syria. The loss of Mr Asaad is a loss for us all.

 

 

FAZ, 22.8.2015

Ohne ihn ging nichts, mit ihm ging alles

Von Andreas Schmid-Colinet

 

Die Nachricht der syrischen Antikendirektion löste bei uns Entsetzen aus: Khaled Asaad, langjähriger Antikendirektor von Palmyra wurde am 18. August 2015 von Schergen des sogenannten „Islamischen Staates“ im Alter von 82 Jahren in Palmyra auf animalische Weise getötet. Erst wurde er vor dem Museum geköpft, dann sein Leichnam an einer der Säulen des Tetrapylons im Zentrum der antiken Stadt zur Schau gestellt. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass sein Sohn und Nachfolger im Amt sich aus Palmyra retten konnte, wenn auch schwerverletzt.

 

Khaled Asaad – oder Abu Waleed, wie ihn seine Freunde und Kollegen nannten – war von 1963 bis 2003 Direktor der Ausgrabungen und der Museen von Palmyra. In dieser Zeit hat er zahlreiche Grabungen, Restaurierungen und Forschungen in Palmyra geleitet und durchgeführt und damit internationale Anerkennung gefunden. Besonders interessiert haben ihn immer auch ethnologische Studien über die familiären Zusammenhänge und weitreichenden Verbindungen der Beduinen von der Palmyra-Region bis hin nach Saudi-Arabien. Ebenso groß aber ist sein Verdienst bei der Hilfestellung und Unterstützung auswärtiger Kolleginnen und Kollegen, mit denen er in enger Kooperation zusammengearbeitet hat.

 

So leitete er zwischen 1980 und 2003 gemeinsam mit mir im Auftrag der Syrischen Antikendirektion und des Deutschen Archäologischen Instituts Forschungen in Palmyra und Umgebung. Ohne ihn wäre diese Arbeit, deren Ergebnisse wir später in Monographien und Aufsätzen publiziert haben, nicht möglich gewesen. Er sorgte dafür, dass morgens um 5:30 Uhr 80 zuverlässige Arbeiter auf der Grabung standen und ein bei den Arbeitern anerkannter vertrauenswürdiger Vorarbeiter, der alte Haji Saleh, zur Verfügung stand – bei diesem heiklen Unterfangen musste jede Familie in Palmyra entsprechend berücksichtigt werden. Er kümmerte sich darum, dass bei 40 Grad im Schatten jederzeit auf der Grabungsstätte im Gräbertal weitab von der Stadt für alle genügend Trinkwasser vorhanden war, zu den Teepausen Zelte zur Verfügung standen und ein zuverlässiger Wächter angeheuert wurde. Er veranlasste, dass an bestimmten Tagen um Punkt 9:45 Uhr, 12:15 Uhr und 15:30 Uhr eine Hebebühne von der Stadtverwaltung auf der Grabung stand, um Luftaufnahmen bei unterschiedlicher Beleuchtung machen zu können, und dass der Kran an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit zum Bewegen großer Blöcke zur Verfügung stand. Er stellte ein Grabungshaus und einen Koch, der noch bei dem französischen Archäologen und Restaurator von Palmyras Bel-Tempel Robert Amy in den dreißiger Jahren als Küchenjunge gearbeitet hatte und „cuisine francaise“ zu kochen und zu servieren wusste. Er konnte im Handumdrehen plötzlich auftauchende administrative bürokratische Hürden überwinden.

 

Kurz: Ohne Abu Waleed ging nichts, mit ihm alles. Auch in Streitfragen selbst massiverer Art wandte man sich vertrauensvoll an Abu Waleed, wie ich selbst erfahren habe. Die Herkunft aus einer alten bedeutenden palmyrenischen Familie, seine Bildung und Wissbegierde, sein bestimmender aber immer freundlicher Umgang, das wache Interesse an seiner eigenen Umwelt und Geschichte, eine ausgezeichneten Beziehungen und Kontakte in der ganzen Stadt machten ihn zu einer einflussreichen Persönlichkeit, auf die in Palmyra jeder hörte.

 

Diese Offenheit und die Verteidigung seines und unseres kulturellen Erbes hat er nun mit seinem Leben bezahlt.

 

 

Neue Züricher Zeitung, 24.8.2015

Khaled al-As'ad - eine Würdigung
Wie sich der IS auch finanziert
Der hingerichtete Archäologe Khaled al-As'ad war der Garant für die Bewahrung und Pflege Palmyras.

www.nzz.ch/feuilleton/wie-sich-der-is-auch-finanziert-1.18601078">http://www.nzz.ch/feuilleton/wie-sich-der-is-auch-finanziert-1.18601078

Er war eine stille Persönlichkeit, Khaled al-As'ad, der Direktor des archäologischen Museums von Palmyra, der bis zur Pensionierung in seinem grossen Büro mit Blick in den Museumsgarten residierte. Die zahllosen Besucher, die ihn täglich mit Fragen und Bitten bedrängten, empfing er mit ruhigem Blick durch seine dicken Brillengläser. Erst abends, beim Besuch des Grabungshauses im monumentalen Bel-Heiligtum, leuchtete seine warmherzige Persönlichkeit bei einem Glas Tee richtig auf. Dort berichtete er über die Koordination der zahlreichen ausländischen archäologischen Missionen sowie über seine eigenen Ausgrabungen und Projekte bei der Neugestaltung «seines» Museums. Sein Interesse galt dem kunst- und kulturhistorisch einzigartigen Erbe Palmyras, insbesondere den Inschriften und den kalkweissen, einst bunt bemalten Skulpturen in ihrem charakteristischen, harten Stil. Obwohl von der Unesco 1980 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, unternimmt die international angesehene Institution bis heute leider wenig, um die Bedrohung Palmyras auch nur verbal anzuprangern.
Erste Schweizer Grabung

 

In der antiken Oasenstadt Palmyra oder Tadmor waren Archäologen unterschiedlichster Herkunft tätig: Franzosen, Polen, Deutsche, Österreicher, Amerikaner, Japaner und auch Schweizer. Die ersten Schweizer Ausgrabungen im Ausland fanden nicht in Griechenland, sondern zwischen 1954 und 1956 hier, im Heiligtum des Baalshamin, unter der Leitung des Genfer Archäologen Paul Collart statt. Bis dies die politischen Umstände verboten, forschten Basler Prähistoriker unter Jean-Marie Le Tensorer in dem zwischen Palmyra und dem Euphrat gelegenen El Kowm und der Genfer Archäologe Denis Genequand beim Umyyaden-Schloss Qasr al-Hair el-Sharqi. Ohne die Unterstützung Khaled al-As'ads hätten die ausländischen Archäologen ihre Feldarbeiten niemals so erfolgreich durchführen können. Seinem ehrenvollen Andenken bleiben alle einst in Palmyra aktiven Wissenschafter verpflichtet.

 

Khaled al-As'ad kannte jeden Winkel seines Museums – von den Ausstellungssälen bis zu den Depots im Kellergeschoss. Als fünfzig Jahre nach den Grabungen im Baalshamin-Heiligtum endlich auch die dort gefundenen Statuen und Reliefs publiziert werden sollten, führte er mich an sämtliche Gestelle und zu allen Kisten mit Funden der Schweizer Ausgrabungen. Was sich für Aussenstehende wie ein Labyrinth präsentierte, war für ihn ein wohlgeordneter Kosmos.

 

Als Ausgräber besass Khaled al-As'ad eine unvergleichliche Kenntnis auch des «archäologischen Untergrunds» von Palmyra: Die antiken Bewohner der Stadt hatten ihre Toten entweder in hohen Türmen, in Totentempeln oder in weitläufigen, unterirdischen Hypogäen bestattet. Er allein besass die Schlüsselgewalt über diese Grabanlagen. Wer das Glück hatte, sie mit ihm zu besuchen, wird die Begehung der Stätten des Jenseits niemals vergessen. Diese Kenntnis wurde ihm jetzt zum tödlichen Verhängnis: Nach Meldungen internationaler Medien hatte er die beweglichen Schätze des Museums in nur ihm bekannte unterirdische Grabkammern transportieren lassen, um sie vor unerlaubtem Zugriff zu schützen. Nachdem der sogenannte Islamische Staat Palmyra im Mai dieses Jahres eingenommen und eine Schar jugendlicher Soldaten der Regierungstruppen auf der Bühne des antiken Theaters geköpft hatte, blieb der einundachtzigjährige Khaled al-As'ad dennoch in der Stadt, um die Sicherheit der Kunstwerke zu überwachen. Dort wurde der ehrwürdige Greis verhaftet, schwer gefoltert und am 18. August auf dieselbe grausame Art öffentlich hingerichtet.
Unregistrierte Skulpturen

 

Offenbar hat sich der IS inzwischen der von Khaled al-As'ad verborgenen Statuen und Reliefs bemächtigt. Um seine kriegerischen Aktionen weiterhin zu finanzieren, wird er nicht zögern, die Beute in «klingende Münze» umzuwandeln. Mehrere der einst im Museum von Palmyra verwahrten Skulpturen sind weder katalogisiert noch fotografisch dokumentiert. Deshalb kann man sie in kein Fundregister für gestohlene Objekte, wie beispielsweise Art Loss, integrieren. Somit wird es dem IS und seinen Hintermännern ein Leichtes sein, diese mittels gefälschter Pedigrees und fingierter Herkunfts- und Besitzerangaben reinzuwaschen und in den internationalen Kunsthandel einzuschleusen. Der Erwerb syrischer Antiken trug schon seit Beginn des «arabischen Frühlings» dazu bei, die kriegerischen Aktivitäten der diversen Parteien zu verlängern. Spätestens jetzt müssen Museen und Sammler erkennen, dass sie durch Ankäufe palmyrenischer Antiken die Bestialität des IS direkt unterstützen. Die Erinnerung an die mutige Tat Khaled al-As'ads, der sein Leben für das kulturelle Erbe Palmyras geopfert hat, muss Liebhaber orientalischer Kunst endgültig vom Erwerb syrischer Kunstwerke abschrecken.

 

 

FAZ, 22.8.2015 Traueranzeige

http://lebenswege.faz.net/traueranzeige/khaled-al-as-ad/43201262

 

FAZ, 20.8.2015
Nachruf auf Khaled al-Asaad Er blieb in Palmyra

Der ehemalige Antikendirektor von Palmyra wurde vom IS ermordet. Dabei galt seine Forschung stets der besonderen Kulturleistung des alten Syrien. Ein Gastbeitrag.

www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/nachruf-auf-khaled-al...">http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/nachruf-auf-kh...

 

3sat, 20.8.2015
"Wir werden noch grausliche Dinge erleben"
Kulturzeit-Interview mit Schmidt-Colinet

Chaled al-Assaad, einer der prominentesten Altertumsforscher Syriens, ist vom IS brutal ermordet worden. Der frühere Chef-Archäologe der antiken Wüstenstadt Palmyra wurde enthauptet. Wir haben mit dem Archäologen Andreas Schmidt-Colinet gesprochen, der jahrelang mit Chaled al-Assaad gearbeitet hat und mit ihm befreundet war.

www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=53431">http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=53431

 

Die Zeit, 19.8.2015

Enthauptung eines syrischen Archäologen löst Entsetzen aus

IS-Kämpfer haben den 82-jährigen früheren Antiken-Direktor von Palmyra ermordet. Statt vor den Terroristen zu fliehen, hatte er antike Kunstschätze gerettet

www.zeit.de/politik/ausland/2015-08/islamischer-staat-syrien-palmyra-arc...">http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-08/islamischer-staat-syrien-palm...

 

(Reuters)

18.8.2015

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den 82-jährigen Chef-Archäologen der antiken Wüstenstadt Palmyra in Syrien ermordet.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat nach Angaben des staatlichen Leiters für Antiquitäten, Mamoun Abdul Karim, den 82-jährigen Chef-Archäologen der antiken Wüstenstadt Palmyra in Syrien geköpft. Khaled Asaad hatte seit mehr als 50 Jahren die Forschungsarbeiten an den Ruinen des Unesco-Welterbes geleitet. Nach Angaben seiner Familie wurde er vor über einem Monat von den Dschihadisten verschleppt. Zur Machtdemonstration wurde sein enthaupteter Leichnam an einer Straßenkreuzung der Stadt zur Schau gestellt und ein Foto davon im Internet veröffentlicht. "Die Präsenz des IS in dieser Stadt ist ein Fluch und ein schlechtes Omen für jede einzelne Säule und jeden einzelnen archäologischen Stein in Palmyra", sagte Abdul Karim. In den vergangenen 50 Jahren arbeitete Asaad mit Archäologen aus den USA, Frankreich sowie Deutschland zusammen. Mehrfach wurden seine Arbeiten über die 2000 Jahre alten Ruinen in Fachzeitschriften veröffentlicht. Der IS hatte Palmyra im Mai erobert. Nach der symbolischen Sprengung eines Gefängnisses hatten die Extremisten im Juni dort zwei alte islamische Mausoleen zerstört. Vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 besuchten jedes Jahr mehr als 150.000 Touristen die Wüstenstadt. Sie bewunderten die Statuen, mehr als tausend Säulen und die beeindruckende Nekropole mit mehr als 500 Gräbern.

 

Islamic State militants behead archaeologist in Palmyra: Syrian official
DAMASCUS

(Reuters)

www.reuters.com/article/2015/08/18/us-mideast-crisis-archaeology-idUSKCN...">http://www.reuters.com/article/2015/08/18/us-mideast-crisis-archaeology-...

Islamic State (IS) militants beheaded an antiquities scholar in the ancient Syrian city of Palmyra and hung his body on a column in a main square of the historic site, Syria's antiquities chief said on Tuesday.

 

IS, whose insurgents control swathes of Syria and Iraq, captured Palmyra in central Syria from government forces in May, but are not known to have damaged its monumental Roman-era ruins despite their reputation for destroying artifacts they view as idolatrous under their puritanical interpretation of Islam. Syrian state antiquities chief Maamoun Abdulkarim said the family of Khaled Asaad had informed him that the 82-year-old scholar who worked for over 50 years as head of antiquities in Palmyra was executed by Islamic State on Tuesday. Asaad had been detained and interrogated for over a month by the ultra-radical Sunni Muslim militants, he told Reuters. "Just imagine that such a scholar who gave such memorable services to the place and to history would be beheaded ... and his corpse still hanging from one of the ancient columns in the center of a square in Palmyra," Abdulkarim said. "The continued presence of these criminals in this city is a curse and bad omen on (Palmyra) and every column and every archaeological piece in it."

 

Abdulkarim said Asaad was known for several scholarly works published in international archaeological journals on Palmyra, which in antiquity flourished as an important trading hub along the Silk Road. He also worked over the past few decades with U.S., French, German and Swiss archeological missions on excavations and research in Palmyra's famed 2,000-year-old ruins, a UNESCO World Heritage Site including Roman tombs and the Temple of Bel. Before the city's capture by Islamic State, Syrian officials said they moved hundreds of ancient statues to safe locations out of concern they would be destroyed by the militants. In June, Islamic State did blow up two ancient shrines in Palmyra that were not part of its Roman-era structures but which the militants regarded as pagan and sacrilegious.

 

(Reporting by Kinda Makeih in Damascus Writing by Suleiman Al-Khalidi; Editing by Mark Heinrich)