Kulturvermitteln – Vom Prekariat zum Beruf

Kulturvermitteln – Vom Prekariat zum Beruf

Artikel in: Neues Museum, 2018. Von Sandra Malez / Wencke Maderbacher

 

Einen langen Weg hat die Kulturvermittlung an Museen bereits hinter sich. Oder einen kurzen, je nachdem aus welcher Perspektive man es betrachtet. In den 1990er Jahren wurden die ersten Leitungsstellen für die Kulturvermittlung an den großen Bundes-, Landes- und Stadtmuseen geschaffen. Die Kulturvermittlung zog damals – obwohl seit Mitte der 1970er Jahren unter dem Slogan „Bildung für alle!“ viele Kulturvermittlungsinitiativen gestartet wurden und sich seit den 1980er Jahren in der österreichischen Museumslandschaft etabliert haben – als EINE „Personalstelle“ in Museen ein. Der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen formierte sich 1991 als Österreichweite Interessenvertretung. Seine Hauptzielgruppe bildete bis vor wenigen Jahren die freien und selbstständigen KulturvermittlerInnen, denn die Kulturvermittlungsteams waren – im Gegensatz zu den Leitungsstellen – bis Anfang/Mitte der 2000er Jahren nicht angestellt. International war die Kulturvermittlung bereits zwei Jahre nach der Gründung von ICOM 1946 mit zunächst zwei Komitees vertreten „Children museums and activities“ und „Museum education“, welche 1953 zu einem Komitee zusammengelegt wurden und von einer französischen Initiative ausgehend umbenannt wurden zu „Committee for education and cultural action“, kurz CECA. Seit jeher ist CECA eines der größten Komitees im ICOM Feld.

 

Chefsache Kulturvermittlung: Kulturvermittlung ist heute „schick“ geworden und im Rampenlicht der Kulturpolitik angelangt. Viele Museumsleitungen und PolitikerInnen haben erkannt, dass die Kulturvermittlung eine zentrale Rolle bei der Positionierung von Institutionen und Ausstellungen sowie bei der Generierung von Besucherzahlen einnimmt. Aus diesem Grund ist die Kulturvermittlung längst zur Chefsache in den Museen geworden. Wunderbar, Mission erfüllt – Museen gerettet – Kulturvermittlung etabliert!?! Aber, was macht die Kulturvermittlung aus und wie definiert sich das Berufsbild der KulturvermittlerInnen an Museen? Wodurch grenzt sie sich ab und was macht sie so einzigartig? Wer darf sich – in einer Zeit, in der die Vermittlungsangebote überall (von Buchhandlungen, über Fastfoodketten, Baumärkten, etc.) nur so aus dem Boden schießen - als KulturvermittlerIn bezeichnen? Welche Rahmenbedingungen sind für qualitätsvolle Kulturvermittlung notwendig und warum arbeiten KulturvermittlerInnen noch immer in prekären Arbeitsverhältnissen?

 

Im ICOM Code of Ethics werden die Säulen der Museumsarbeit benannt: Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Jeder Bereich ein Schwerpunkt und eine Herausforderung für sich bedarf spezieller Fachkompetenzen. Mittlerweile sind für diese musealen Tätigkeiten – zumindest an den großen Museen – neben einer profunden Berufserfahrung einschlägige Hochschulstudien Voraussetzung. Die Zeiten der Rechtfertigung für die Kulturvermittlung sind  zum Glück  Vergangenheit: Aus dem Feedback des Publikums und diversen Studien der Besucherforschung wissen wir, dass für all jene, die ein Programm der Kunst-, Kultur- und Naturvermittlung in Anspruch genommen oder eine Ausstellung besucht haben, an der alle Professionen ihr Spezialwissen einbrachten, der Besuch an Qualität gewinnt und dass das Publikum die Museen und Ausstellungshäuser zufriedener verlässt. Zudem werden die Kulturvermittlungsangebote vermehrt als eigenständiger Anreiz und Impuls für einen Museumsbesuch genommen.

 

Museen sind schon lange nicht nur Anbieter eines Programmes und das Publikum nimmt sich selbst längst nicht nur als Konsumenten wahr. KulturvermittlerInnen arbeiten genau an dieser wichtigen Schnittstelle zwischen Institution und Publikum. Die Zeiten der prekären Arbeitsverhältnisse sind – trotz dieser wichtigen Rolle – in Österreich noch an vielen Museen gelebte Praxis. Nur einige wenige Institutionen der österreichischen Museumslandschaft haben ihre Kulturvermittlungsteams mit den gleichen Arbeitsverträgen wie in der jeweiligen Intuitionen üblich, ausgestattet und damit faire Anstellungsverhältnisse geschaffen. Aus diesem Grund hat der Verband der KulturvermittlerInnen durch die Publizierung von Honorarsätzen und die  „Zertifizierung“ – KulturvermittlerInnen konnten sich von einer unabhängigen Fachjury zertifizieren lassen – vor allem die freien uns selbständigen KollegInnen unterstützt.  

 

Das Berufsbild für eine Profession. Bis vergangenen Herbst gab es kein Berufsbild für die Kulturvermittlung. Nur Fremddefinitionen durch Arbeitsvertretungen und Ausbildungsstätten, sowie Formulierungen ohne Autorenschaft, die nicht mehr zeitgemäß waren und nicht die Vielfältigkeit und Tiefe des Aufgabengebietes abdeckten.
Am 11.Oktober 2017 wurde bei der ICOM CECA Preconference zum Österreichischen Museumstag in Steyr das Berufsbild Kulturvermittlung in einem atemberaubenden, demokratischem Prozess mit 150 anwesenden VermittlungsexpertInnen beschlossen. Dieser Abstimmung ging ein knapp zweijähriger intensiver Vorbereitungsprozess voran. Seit 2015 betreibt CECA Austria einen Prozess mit einer stets wachsenden ExpertInnen-Gruppe, diesem Prozess schloss sich Ende 2016 der neu formierte Verband der KulturvermittlerInnen als Partner an und die beiden starken Interessensvertretungen für Kulturvermittlung in Österreich zogen an einem Strang für die Stärkung der Profession. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe repräsentieren mit ihren Teams  viele hundert KulturvermittlerInnen und decken beinahe alle Bundesländer Österreichs ab.

 

Gemeinsame Wege und ein Schulterschluss …
Die Herausforderung sich abzugrenzen, die Einzigartigkeit der Kulturvermittlungs-Profession zu stärken und innerhalb der Museen als faires Arbeitsverhältnis zu implementieren, besteht nicht nur an Österreichischen Museen. In Deutschland und Kroatien wird gerade intensiv darum gekämpft, Kulturvermittlung als internen Teil der Museumsarbeit zu behalten, und den Rückschritt zu vermeiden, die Kulturvermittlung wieder auszulagern, in anderen Abteilungen verschwinden zu lassen und aufzulösen. In den Niederlanden ist man, ähnlich wie in Österreich, proaktiv auf das Thema zugegangen und hat zur Profession Kulturvermittlung geforscht. Diese Ergebnisse sind in der Publikation „Guiding is a profession“ veröffentlich worden und beschreiben internationale Standards sehr profunde.

 

Das ICOM Committee für Education and Cultural Action (CECA) ist eines der größten und ältesten ICOM Fachgruppen. Das Jahr 2018 steht auch dort ganz im Zeichen der Berufsdefinition. Unter dem Aufruf „What does Cultural Action mean for you“ wird die jährliche CECA-Konferenz, die vom 24.-27. September 2018 in Tiflis Georgien stattfinden wird, sich sowohl mit der Geschichte des Komittees und der Vermittlung an Museen auseinandersetzen, aber vor allem die Weichen für die Zukunft stellen. Wo steht die Vermittlung heute, welche Aufgaben hat sie aktuell und welchen Beitrag leistet die Profession in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für die Kultureinrichtungen aber auch für die Gesellschaft?

 

Die Kulturvermittlung in Österreich ist mit den ausgearbeiteten Standards von ICOM CECA Austria und dem Österreichischen Verband der KulturvermittlerInnen hier vorne dabei und ist international ein Vorbild für die Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Kulturvermittlungsarbeit. Viel Arbeit liegt noch vor uns: ICOM CECA Austria und der Österreichischen Verband der KulturvermittlerInnen werden in den nächsten Jahren die begonnene Zusammenarbeit fortsetzen und übergeordnete Themen – von den Verträgen und Anstellungsverhältnissen über die Dokumentation und Sichtbarkeit der Kulturvermittlung, bis zu  Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten – für alle KulturvermittlerInnen in Österreich weiter vorantreiben.

 

Wencke Maderbacher, Sandra Malez

 

Kontakt:

Wencke Maderbacher, ICOM CECA National Correspondent

wencke.maderbacher@yahoo.de

 

Sandra Malez, Vorsitzende des Österreichischen Verbands der KulturvermittlerInnen im Museum und Ausstellunswesen
verband@kulturvermittlerinnen.at