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Zerstörungen in Palmyra: ICOM Österreich Präsidentin Spera warnt vor „Gefahr für uns alle“

09.09.2015

Wien (APA) - „Ich wünsche mir, dass es einen gemeinsamen politischen Druck gibt, der nicht nur von ICOM und der UNESCO ausgeht“, sagt Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums und Präsidentin von ICOM Österreich, angesichts der Zerstörung des UNESCO Weltkulturerbes in Palmyra. Am Donnerstag hat man den Archäologen Andreas Schmid-Colinet mit dem Vortrag „Palmyra geht uns alle an!“ nach Wien geladen.
 

„Was sich hier ausbreitet, bedeutet für uns alle eine Gefahr. Eine Zivilisation wird zerstört, Frauen werden unterdrückt, Bildung verhindert und alles, was im aufklärerischen Denken auch nur im Ansatz vorhanden ist, wird zerstört“, so Spera angesichts des Krieges in Syrien. „Die Weltgemeinschaft ist gefordert, jene Regime, die solche Gruppierungen unterstützen, wirklich unter Druck zu setzen und zu sagen: So geht es nicht!“ Hier vermisst Spera etwa Appelle an die Saudis. „Das lässt einen förmlich verzweifeln.“ Als ICOM (International Council of Museums / Internationaler Museumsrat) verfolge man den Ansatz, „ständig darauf aufmerksam zu machen und den Finger draufzulegen und zu sagen: Bitte, Welt, schau her!“ Die Zerstörung der Tempelanlage durch Kämpfer des „Islamischen Staates“ sei eine Sache, aber nach der Ermordung von Khaled Asaad, dem früheren Chefarchäologen der historischen Oasenstadt, „fehlen einem die Worte“. Es brauche eine Reaktion der Politik. „Was tut die UNO, außer zu verurteilen? Und dann stellt sich die Frage, was getan werden kann, inwieweit man einen Krieg riskieren will. Aber manchmal bedarf es einer Militäraktion, um irgendwo einzuschreiten. Es geht vermutlich nicht anders.“

 

 

Bestätigung der Zerstörung des Bel-Tempels in Palmyra durch UN-Satellitenbilder

 

Hauptaufgabe von ICOM sei es, Bewusstsein zu wecken und auch gegen den Handel mit geraubten Kunstgütern zu protestieren. „Hier muss man auch bei den Käufern ansetzen und rigoros schauen, dass es Strafen gibt. Das muss auch bei der Politik eingefordert werden.“ Daher hat die ICOM auch eine Broschüre mit einer „roten Liste“ gefährdeter Kulturgüter aus Syrien veröffentlicht. Damit soll sowohl Sammlern als auch Zollbehörden ein leichteres Erkennen von aus dem Land geschmuggelten Kulturgütern ermöglicht werden.

 

Die aktuelle Zerstörung sowie die Flüchtlingswelle sieht Spera auch im Kontext des eigenen Hauses: „Im Jüdischen Museum erzählen wir tagtäglich von der Zerstörung der Wiener Synagogen. Das ist etwas, das hier in Wien vor den Augen der Bevölkerung geschehen ist, und es wurde nicht verhindert. Und wir wissen heute, was da verloren gegangen ist, auch in architektonischer Sicht. Heute gibt es aber ganz andere Möglichkeiten in der Verbreitung“, verweist Spera auf die Möglichkeit von Satellitenbildern, die die Zerstörung in Palmyra dokumentieren. „Das ist eine andere Dimension und wir können das heute in der ganzen Welt nachvollziehen.“ Daher müsse rasch gehandelt werden.

 

In den aktuellen Ausstellungen verweise man auch speziell auf jene Flüchtlingswellen, mit denen Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert war. „Mehr als 300.000 Displaced Persons gingen zwischen 1945 und 1955 durch Österreich durch. Das waren hauptsächlich Überlebende aus Konzentrationslagen. Wir weisen darauf hin, wohin sie gegangen sind und wie wenige leider geblieben sind“, so Spera. „Diese Wenigen haben die jüdische Gemeinde wieder aufgebaut. Ohne die wäre sie nicht existent.“ Zur aktuellen Situation meint Spera: „Wir haben jetzt eine unglaubliche Verantwortung. Wir wollen auch im Museum ein Bewusstsein schaffen, immer wieder eine Welle von Solidarität zu fordern, und die ist auch in Zukunft eingefordert. Die war auch jetzt an diesem Wochenende wieder zu spüren. Das zeichnet dieses Land schon aus.“

 

 

Weitere Informationen:

 

ICOM Österreich Vortrag: Palmyra geht uns alle an! Ein Krieg zerstört uraltes UNESCO-Weltkulturerbe
10. September 2015, Kunsthistorisches Museum Wien
Für die Veranstaltung sind leider keine freien Plätze mehr verfügbar. Die Anmeldung ist geschlossen!

http://icom-oesterreich.at/kalender/icom-oesterreich-vortrag-palmyra-geh...

 

ICOM International Observatory on Illicit Traffic in Cultural Goods
http://obs-traffic.museum/

 

ICOM Emergency Red Lists of Cultural Objects at Risk
Irak:  http://icom-oesterreich.at/news/emergency-red-list-irak
Syrien: http://icom-oesterreich.at/publikationen/icom-emergency-red-list-syrien

 

ICOM trauert um Khaled Asaad

http://icom-oesterreich.at/news/wir-trauern-um-khaled-asaad
 

 

UN News

Safeguarding the cultural heritage of Syria and Iraq is essential for future peace, say senior UN officials
http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=51817#.VfA9sZdGZ2B

 

CBS News, 9.9.2015

Following the trail of Syria's looted history

http://www.cbsnews.com/news/isis-looted-syrian-ancient-artifacts-black-m...